„Laut Lagebericht des Bundeskriminalamtes wurden allein im Zeitraum 2023 über eine Viertelmillion Menschen Opfer häuslicher Gewalt, damit stiegen die Fälle um 6,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In über 70 Prozent waren Frauen betroffen. Immer wieder stellen die Strafverfolgungsbehörden bei ihren Ermittlungen zu Tötungsdelikten im Partnerschaftskontext fest, dass Annäherungs- und Kontaktverbote bestanden, diese jedoch – auch wiederholt – missachtet wurden. Wir finden, das muss sich ändern, deshalb haben wir eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht, die die Nutzung der elektronischen Fußfessel ausweiten soll. Wir wollen häusliche Gewalt konsequent bekämpfen. Die Bundesregierung muss jetzt endlich handeln“, sagte der Justizminister bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem WEISSEN RING e. V. in Eschborn.
Aufnahme in Gewaltschutzgesetz angestrebt
Die Bundesratsinitiative sieht unter anderem vor, die elektronische Fußfessel durch eine Änderung des Gewaltschutzgesetzes im Bundesgesetz zu verankern. „Momentan gibt es lediglich nach den Polizeigesetzen der Länder die Möglichkeit, dass Betroffene von häuslicher Gewalt durch die elektronische Fußfessel bei den Tätern nur kurzfristig und vorübergehend geschützt werden, eben bis gerichtliche Maßnahmen greifen. Um eine dauerhafte und nicht nur kurzfristig wirkende Möglichkeit zu haben, gerichtliche Kontakt- oder Näherungsverbote mit einer Fußfessel zu kontrollieren, muss die Fußfessel ins Gewaltschutzgesetz aufgenommen werden“, sagte Justizminister Heinz.
Die elektronische Fußfessel bei gewaltbereiten (Ex-)Partnern sei, laut Heinz, ein wirksames Mittel wie etwa das Beispiel Spaniens zeige. Dort werden strafrechtliche Sanktionen und Distanzanordnungen in Echtzeit elektronisch überwacht. Im Organgesetz Ley Orgánica werden im spanischen Recht mit der Strafe verbundene Näherungsverbote geregelt. In diesen Fällen kann das Gericht die Einhaltung des Verbots durch elektronische Überwachung mittels Global Positioning System (GPS) anordnen. Im Gesetz gegen häusliche Gewalt (Ley de Violencia Doméstica) wird die Umsetzung des Wegweisungsrechts oder der Fernhalteverfügung (Aufenthaltsgebot mit Sperrzone) neben anderen Maßnahmen mittels elektronischer Überwachung explizit genannt. Das Gericht kann in diesen Fällen die elektronische Aufenthaltsüberwachung anordnen, um die Einhaltung dieser Weisungen zu gewährleisten. Nicht zuletzt aufgrund der positiven Erfahrungen in Spanien wurde auch in der Schweiz eine entsprechende, dort zivilrechtliche, Rechtsgrundlage geschaffen. „Seitdem die elektronische Fußfessel so in Spanien eingeführt wurde, gab es bei den Frauen, die damit geschützt wurden, keine Tötungen mehr. Das unterstreicht einmal mehr, wie wirksam die elektronische Fußfessel sein kann, wenn man sie richtig nutzt. Andere Länder folgen, die Bundesregierung sollte jetzt nicht länger warten“, so der Justizminister.
Der Landesvorsitzende des WEISSEN RING e. V. in Hessen, Dr. Patrick Liesching, lobte die Initiative des Landes Hessen: „Es ist höchste Zeit, dass der Bundesgesetzgeber endlich wirksame Instrumente schafft, um der Gewalt durch (Ex-)Partner zu begegnen. Die bisherigen Regelungen des Gewaltschutzgesetzes sind nicht ausreichend. Wir gehen davon aus, dass im Jahr 2023 in Deutschland mehr als 100 Frauen von ihren (Ex-)Partnern getötet wurden, obwohl sie ein gerichtliches Näherungsverbot nach dem Gewaltschutzgesetz erwirkt hatten. Modelle zur elektronischen Aufenthaltsüberwachung in Spanien und anderen europäischen Ländern zeigen eindrucksvoll, dass man solche Tötungen erfolgreich und effektiv verhindern kann. Deshalb kann ich die ablehnende Haltung von Bundesjustizminister Buschmann in keiner Weise nachvollziehen.“
Modell Lahn-Dill – Runder Tisch gegen häusliche Gewalt
Am dritten Tag seiner Rechtsstaats-Tour besuchte der Justizminister ebenfalls auch den Runden Tisch gegen häusliche Gewalt im Lahn-Dill-Kreis. Dort wird seit dem 1. November 2019 in enger Kooperation von Polizei, Staatsanwaltschaft, Jugendämtern und Familiengerichten ein Modell erprobt, das behördliche und familiengerichtliche Verfahrensabläufe in Fällen häuslicher Gewalt mit mittelbarer oder unmittelbarer Beteiligung von Kindern effizienter gestalten, vereinfachen und vor allem beschleunigen soll. Initiiert wurde das Modellprojekt von der Arbeitsgruppe „Kooperation Behörden“ des Runden Tischs gegen häusliche Gewalt im Lahn-Dill-Kreis, einem informellen Zusammenschluss unterschiedlicher Teilnehmer aus den örtlichen Jugendämtern, Frauenhäusern, Frauen- und Gleichstellungsbüros und der Polizei, von Beratungsstellen, Gerichten und aus der Staatsanwaltschaft, die in enger Abstimmung und Zusammenarbeit ein Konzept erarbeitet haben. „Im Lahn-Dill-Kreis geht man gemeinsam gegen häusliche Gewalt vor, hier ziehen alle an einem Strang. Der Runde Tisch ist beispielhaft und nachahmenswert“, sagt Christian Heinz.
Hessens Justizminister Christian Heinz fährt vom 13. bis 16. August 2024 auf seiner Rechtsstaat-Tour durch Hessen, wird dabei zahlreiche Institutionen besuchen und mit den Menschen in den Austausch treten. In diesem Jahr setzt der Minister die Bereiche der Gesellschaft in den Fokus, die den Rechtsstaat leben und ihn selbstbewusst nach außen tragen. Vom Nachwuchs in der Justiz bis hin zur Rechtsstaatsgeschichte – die jeweiligen Tage seiner Sommerreise orientieren sich immer an einem thematischen Schwerpunkt.
Zu weiteren Terminen der Rechtsstaat-Tour laden wir Sie herzlich ein:
Freitag, 16. August 2024: Offener Rechtsstaat
10:30 Uhr: Amtsgericht Eschwege – Digitaler Servicepoint – der Justizminister am Servicetelefon (Friedrich-Wilhelm-Straße 39, 37269 Eschwege)
14:00 Uhr: Initiative „Offen für Vielfalt“ – Austausch im Wohnzimmer für Demokratiefans (Goethestraße 77, 34119 Kassel)